Antisoziale Alternative
Von Arnold Schölzel
Welch Überraschung: Für Kanonen und Butter gleichzeitig reicht es mal wieder nicht. Kommt im Kapitalismus auf die vergangenen 130 Jahre gesehen regelmäßig vor, speziell, wenn sich eine Weltwirtschaftskrise einstellt, wie die nicht überwundene von 2009.
Die Ampel quälte sich redlich, die Unterkonsumtion zu befördern, und jagte die Energiepreise ins wirtschaftliche Nirwana. Nun will es die neue Ausgabe von CDU/CSU plus SPD (mit einer Ausnahme von vier Jahren seit 1998 in Bundesregierungen) richten. Bis in den Sommer hinein sprühten die Koalitionäre vor Euphorie. Die geplanten Billionen Euro Schulden für Aufrüstung, Krieg und Superwachstum sollten für gute Stimmung sorgen, sogar Kohle für Soziales war da. Im Kanzleramt dröhnten zum Beispiel am 21. Juli 30 deutsche Manager, in den nächsten drei Jahren 631 Milliarden Euro in Deutschland zu investieren. Kleine Einschränkung des Siemens-Chefs Roland Busch: »Wir brauchen in der Politik den Mut für strukturelle Veränderungen, und da müssen unbedingt große Schritte folgen.« Am 6. August beschloss das Kabinett aber zunächst einmal Regelungen für Soziales: gleiches Rentenniveau bis 2031, Ausweitung der sogenannten Mütterrente, Tariftreue für öffentliche Aufträge bis 2032 – Ausnahme bei Bundeswehr-Bestellungen etc.
Drei Wochen danach ist angeblich alles anders – Massenentlassungen bei Porsche, Rekordinsolvenzen, schrumpfende Wirtschaft, mäßige Prognosen fürs kommende Jahr. Der SPD-Chef und Finanzminister schreibt den Kabinettskollegen einen Brief, in dem er um »substantielle Vorschläge zur Konsolidierung« des Haushalts 2027 bittet – und zwar flott. Ihm fehlen darin mehr als 30 Milliarden Euro. Da aber die SPD bei 14 Prozent in Umfragen dümpelt und bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 14. September der nächste Absturz droht, bringen er und andere Sozialdemokraten sogar Steuererhöhungen ins Spiel. Für CDU/CSU reißt da gefühlt die sozialistisch-kommunistische Hölle ihren Schlund auf. Ist beides nicht ernst gemeint, wie jeder Mitspieler weiß, kann aber für Merz und sein aktuelles Regieren ernst werden. Denn bisher wurde die SPD gebraucht, wenn das Kapital im Gegenzug fürs Investieren – zumal in einem erodierenden Land – größere Sozialkürzungen anordnete. Jetzt aber wächst dort und in Teilen von CDU und CSU die Neigung, es mit der AfD zu versuchen – die antisoziale Alternative. Geprobt wurde das in diesem Jahr schon mehrfach, Anfang des Jahres mit Merz an der Spitze. Der »Herbst der Reformen«, den der Kanzler und seine Leute unermüdlich angekündigt haben, wird nach gegenwärtigem Stand giftig und könnte im äußersten Fall sein eigener Herbst mit dieser wackligen Koalition werden.
Die politische Dauerkrise entspricht der ökonomischen. Und die Maxime des Kapitals lautet wieder einmal: Kanonen statt Butter. Die AfD steht bereit.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (26. August 2025 um 11:31 Uhr)Sehr schade, dass es den Regierenden nur um die Kranken, die Armen und die Alten geht. Wo bleiben denn die Kinder und die Jugendlichen? Anderswo geht's doch auch ohne Kindergeld! Sollte diese pseudosozialistische Untugend weiter finanzierbar sein, Herr Merz? Oder kommt da doch noch der Kathole zum Vorschein? Jedoch warum nicht bei den dutzenden Millionen anderen Bedürftigen? Hat da jemand Bammel vor den Eltern und Großeltern?
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (26. August 2025 um 10:59 Uhr)Seit Jahren nun schon wurde und wird die AfD mit der politischen Jauche der »demokratischen Parteien« in der Öffentlichkeit und in den Medien regelmäßig gedüngt und ist inzwischen kräftig herangewuchert im Politgarten; ein allgegenwärtiges wie unbändiges »Unkraut«. Und jetzt, da dieses so prall und prächtig zwischen all den anderen Gewächsen emporragt, wächst auch immer stärker die Neigung, mit ihm zusammen einen gemischten parlamentarischen Salat zu kreieren. Na, dann Mahlzeit - Deutschland!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus z. Zt. Dedenitz/Steiermark/Österreich (26. August 2025 um 06:46 Uhr)Ach ja, es fehlt am Geld – die Sozial- und Christ»demokraten« wollen nun zum wiederholten Male den Sozialstaat »reformieren«, also Kürzungen in allen Bereichen der sozialen Daseinsvorsorge des Staates angehen. Dafür soll in den einschlägigen Ministerien gekürzt werden. Nur der »Einzelplan 14 – Verteidigung« bleibt außen vor. Und der deutsche Michel – er ballt mal wieder die Faust in der Tasche und schluckt das Ganze. Weil es in Deutschland (angeblich) verboten ist, für seine Forderungen in Form eines Generalstreiks auf die Straße zu gehen. Doch was wollen die Regierenden machen, wenn Millionen Menschen ihren berechtigten Forderungen auf der Straße Nachdruck verleihen? Sie wie 1918 durch die Reichswehr durch die Heimatschutzdivision der Bundeswehr zusammenschießen lassen? Na gut, das würde einiges an Problemen lösen, denn es wären vielleicht die dabei, die als Bürgergeldempfänger, Kranke, Rentner dem Staat nur Geld kosten. (Zynismus aus) Warum haben wir nicht endlich den Mut, wie in Frankreich ab dem 10. September angekündigt, die Arbeit niederzulegen? Ja, es braucht einen Herbst der Reformen, aber nicht so, Herr Merz und Herr Klingbeil. Es braucht eine vollkommen neue Politik nach innen und nach außen. Es braucht Diplomatie, es braucht soziale Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft. Und dazu ist diese Regierung in Deutschland nicht fähig. Das Einzige, was sie kann, ist mit dem Säbel rasseln und Völkermord durch Waffenlieferungen zu unterstützen. Deshalb – weg mit dieser nur den Reichen und Mächtigen zugewandten Regierung! Haben wir endlich den Mut, auch offen für unsere Rechte einzutreten!
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